19. – 26. Okt.  Armenien

 

Gesundheitscheck auf der Brücke und Wageninspektion der Russen. Dann ging es von Posten zu Posten. Wir hatten das Glück als Erste durchzugehen, mussten aber auch alles selber erfragen. So standen wir um 18.00 Uhr am Stellplatz hinter der Grenze. Die letzten Womis kamen um 22.30 Uhr an. Mit 11 Stunden war es der längste Grenzübergang.

 

Armenien – das Land der Steine

Das heutige Staatsgebiet Armeniens mit knapp 30‘000 km2 Fläche ist hingegen nur das Kernland des armenischen Hochlandes, ein Hochgebirgsland, das sich mit seiner felsigen Unzulänglichkeit und steinigen Kargheit beinahe gegen alle Seiten abschliesst. Nur im Westen schlängelt sich der mächtige Fluss Arax durch das Land und schafft eine offene, fruchtbare Ebene hin zum türkischen Nachbarn. Das Land grenzt im Norden an Georgien, im Westen an die Türkei und die aserbaidschanische Enklave Nachitschevan, im Osten an Aserbaidschen, und hat die kürzeste Grenze mit nur 35 km Länge zum Iran. Die armenischen Bergketten ziehen sich vom Norden des Landes, an der Grenze zu Georgien, bis hinab in den an den Iran grenzenden Süden. Der mächtigste aller Gebirgsstöcke Armeniens, der Aragats, liegt nordwestlich der Stadt Jerevan und ist mit seinen 4095 m der höchste Berg Armeniens. Er wird als Zwillingsberg zum Ararat gesehen.

Die Wasserarmut des Landes und ein strenges Klima tragen zum erdigen, nur von wenigen saftig grünen Flecken durchzogenen Bild Armeniens bei. 17 Prozent des Landes dient als Ackerland, nur ein Viertel der Fläche als Weideland. Dennoch gedeihen hier Granatäpfel, Aprikosen, Pfirsiche, Weintrauben und Feigen. Die Aprikose ist eine angestammte Frucht Armeniens. Sattorangefarben, oft faustgross und honigsüss, die Sonne gibt ihnen viel Kraft zum Reifen. Leider ist auch der Baumbestand nicht so gross. Es gibt hier Kieferngewächse, Eichen, Akazien, Weiden sowie Nussbäume.

Das Land besitzt keine ausreichenden fossilen Ressourcen, dafür ist es reich an verschiede-nen vulkanischen Gesteinen, wie Tuff in den schönsten Farben sowie Basalt und dem schwarzglänzenden Vulkanglas Obsidian und Marmor. Besonders berühmt sind die seltenen Steinchen des Hochlandes, wie Smaragd, Rubin, Beryll oder Türkis.

 

Bei schönem 20° warmem Wetter starteten wir guter Dinge Richtung Tathev. Ueber zwei Pässe 2218 und 1500 m genossen wir die wunderschöne Fahrt durch die herbstlich verfärbte Landschaft. Ziel war das Kloster Tathev. Da gibt es eine 5,7 km lange Seilbahn aus der Schweiz, die im 2010 für 13 Mio. Euro gebaut wurde. Das Kloster Tathev wurde bereits im 9. Jhd. erbaut und ist ein felsiges, von der Natur geschütztes Refugium. Ein Ort höchster Spiritualität über einer halsbrecherischen Schlucht. Wir wollten ja mit dieser Seilbahn zum Kloster fahren aber am Montag war geschlossen. So entschlossen wir uns mit dem Womo die steile serpentinenreiche Strasse am anderen Tag hochzufahren. Aber ohaläz, als wir am Morgen aus dem Fenster schauten, schneite es und es war 0° Grad. Brrrr. Das störte uns zwei Schweizerpaare nicht, denn wir fuhren trotzdem hoch und erfuhren viel Interessantes.

 

Armenien wurde ein Zankapfel zwischen Persien im Osten und Rom im Westen. Ständige Angriffe von beiden Seiten zerstörten die Königsstädte und liessen Armenien zerbrechen. Gegen Ende des 3. Jhd. versuchten die Römer, den von ihnen eingesetzten König Trdat III. von Persern als Herrscher anerkennen zu lassen. Es war auch dieser Trdat, der vom heiligen Grigor, dem Erleuchter, zum Christentum bekehrt worden ist und im Jahre 301 verfügt hat, das Christentum im armenischen Reich fortan zur Staatsreligion zu ernennen. Armenien war der erste  christliche Staat der Welt.

Es heisst auch, wenn ein Priester in einer Gemeinde predigen will und unter Menschen lebt, muss er verheiratet sein. Dies gilt nicht für Mönche und Priester die weit ab von den Menschen leben. Die dürfen sich nicht verheiraten, denn da gilt die ganze Aufmerksamkeit der Bildung. Es war zu dieser Zeit die einzige Möglichkeit sich in verschiedenen Gebieten wie, Religion, Architektur, Schriftzeichen, Mathematik etc. zu bilden. Nebenbei wurde gehandwerkt, gebaut und andere alltäglichen Arbeiten verrichtet.

 

Auf dem Rückweg nahmen wir noch einen jungen ukrainischen Rucksacktouristen mit, der Richtung Iran und Indien trampen möchte. Das Wetter besserte sich und über die nächsten zwei Pässe über 2000 m ging‘s zum Kloster Noravankh. Eines der schönsten Klöster Armeniens. In völliger Einsamkeit auf einer Erhöhung am Schluchtende gelegen, ist es bei dem warmen roten Licht der untergehenden Sonne kaum von seiner felsigen Umgebung zu unterscheiden. Die alte Täuferkirche wurde im 9. Jhd. von unbekannten Gläubigen errichtet.

 

Anschliessend Essen im Restaurant nebenan. Es wurde sehr schön aufgedeckt und mundete hervorragend. Da wir schräg standen legten wir uns quer ins Bett. Geht auch so. Es regnete und beim Fenster auf meiner Seite hatte es irgendwo in der Dichtung ein Leck und auf Fredys Seite hängt die Kästliunterlagsseite herunter. Und zu allem Uebel ist der chinesische Kühlschrank wegen zu wenig Strom ausgefallen. So gibt es in Jerevan einiges zu erledigen.

 

Auf dem Weg nach Jerevan besichtigten wir noch das Kloster Chor Virap. Das Kloster ist stark mit der Legende des heiligen Grigor verbunden. Hier ist der Wallfahrtsort, an dem sich jene tiefe Grube, jener Kerker, befunden haben soll, in den der heidnische König den christlichen Dickkopf Grigor werfen liess. Der arme Grigor musste 15 Jahre in diesem unwirtlichen Erdloch hausen, bis er auf das Flehen der Königsschwester Chosroviducht freigelassen wurde, die hoffte, dass er den an einer bösartigen Krankheit leidenden König heilen könnte.

66 Tage lang hatte Grigor ununterbrochen den christlichen Glauben gepredigt, so liess sich der König zum Christentum bekehren.

Wir erhofften hier den mythischen Berg, den 5138 m hohen Ararat zu sehen. Aber es bildete sich eine dichte Nebeldecke um ihn. Die Legende sagt, dass hier die Arche Noahs angekommen sei und er hier die ersten Weingärten angebaut haben soll. Der Berg Ararat liegt jetzt auf der türkischen Seite und ist durch einen Stacheldraht von Armenien getrennt.

 

Die Weintrauben begleiteten uns und an den Verkaufsständen wurde der Wein in Cola- und Fanta-Flaschen abgefüllt angeboten. Aepfel, Birnen, Trauben, Wal- und Haselnüsse, Pepperonis und Kürbisse hielten die Verkäufer feil.

 

Beim Hotel „Valensia“ Aquapark in Jerevan erledigten wir zuerst unsere Havarien, da wir auch wieder Strom hatten.

Besichtigungen in und um Jerevan:  Edschmiatsin, religiöses Zentrum, in Jerevan Genozid-Gedenkstätte, Zentrum, Schriftensammlung in Matenadaran und einem Aussichtspunkt.

 

Dort, wo in einer Vision des heiligen Grigor der „eingeborene Sohn Gottes“ herabgestiegen war und mit einem Schwert auf den kargen Boden des Ararattales in der alten Königsstadt Vagharschapat gedeutet hatte, liess er eine grosse Kirche errichten und legte somit den Grundstein für die Entstehung des bedeutendsten religiösen Zentrums des armenischen Christentums – Edschmiatsin.

An der Genozid-Gedenkstätte erfuhren wir sehr viel Interessantes und Trauriges von unserem Reiseleiter aus armenischer Sicht. Didier Burkhalter, unser Bundesrats-Präsident, pflanzte hier in Gedenken am 4. Juni 2014 eine kleine Tanne.

 

Wir fragen uns immer wieder, wovon die Leute leben. Niemand weiss das so genau, aber als wir auf der Hauptstrasse Richtung Flughafen fuhren, sahen wir sehr viele Casinos und Night-Clubs. Da kommen sicher viele Leute aus den Nachbarländern her… . Es gibt auch sehr viele Armenier die im Ausland leben und von dort die einheimische Bevölkerung unterstützt und auch investiert.

 

Armenien hat sich in den vergangenen Jahren sichtlich verändert. Diese Veränderungen sind in den vielen neuen Bauten, dem Einzug des schnelllebigen, westlichen Geschäftsreibens in Jerevan spürbar, in den endlich ausgebauten und verbesserten Strassen für die armenischen Hauptdurchzugsrouten. Aber eigentlich fast noch im Verborgenen spriessenden Bemühungen Privater zum Aufbau des Tourismus in den ländlichen Gebieten. Armenien ist lebhafter geworden, bunter, selbstbewusster und offener. Der Generationsunterschied, die soziale Oeffnung und der Einfluss des Westens ist besonders beim weiblichen Geschlecht zu  spüren. Dennoch, abseits des dicken Make-ups und der klappernden Bleistiftabsätze ist auch ein Grossteil der jungen Armenierinnen den Traditionen verhaftet.

 

Bei schönem kühlen Wetter fuhren wir nach Garni zum Sonnentempel. Der umsichtige Busfahrer chauffierte geschickt durch das Erdrutschgebiet vor Garni. Es gab schon ein Projekt die Bewohner umzusiedeln. Die aber weigerten sich weg zu ziehen, weil sie hier ihr Land, ihre Häuser und Gärten haben. Sie verkaufen an den Strassen ihr Eingemachtes und verdienen sich so etwas zum Leben. Stopp beim steinernen Bogen, der zu Ehren des armenischen Nationaldichters Jeghische Tsch’arents‘ hier erbaut wurde.

 

Der Sommerpalast liegt in einem Gebiet das dicht mit Walnussbäumen bewachsen ist. Im Jahre 66 nach Christus erbaut, musste er sich erst einem schweren Erdbeben im Jahre 1679 geschlagen geben. Als er 300 Jahre später bei Ausgrabungen entdeckt wurde, wurde damit auch eines der ältesten Baudenkmäler Armeniens wiederentdeckt. Mitte der 60er Jahre wurde er originalgetreu rekonstruiert und begeistert seither wieder in alter Schönheit. Das kleine Flötenspiel mit dem Duduk war ein richtiger Ohrenschmaus.

 

Weiter ging es nach Geghard zum Höhlenkloster, das vermutlich zu Beginn des 4. Jhd. gegründet wurde. Die Legende weiss, dass es der heilige Grigor der Erleuchter selbst war, der versucht hat, die Spuren heidnischen Kultes durch diesen Kirchenbau zu verwischen. Der älteste Teil dieser ganzen Anlage ist direkt aus dem Felsen an der Westseite gehauen. Das war sehr eindrücklich, denn die Steinmetze arbeiteten sich von oben nach unten. Diran, unser Reiseleiter, er ist auch Opernsänger, sang für uns ein wunderschönes Lied.

 

Auf der Heimfahrt kauften wir in einem überaus gut sortierten Supermarkt ein richtig grosses und saftiges Schweinskotelett. Herrlich lecker, denn seit Russland hatten wir das nicht mehr gegessen.  Auf dem Frischfleischmarkt hätte man so etwas wahrscheinlich schon bekommen…

 

In nordöstlicher Richtung fuhren wir durch wiederum schöne Gegenden zum Sevan-See. Er ist 78 km lang und 56 km breit. Der See ist einer der höchstgelegen Seen der Welt mit 1900 m Seehöhe. Er hat 28 Zuflüsse und einen Abfluss, den Hrazdan. Durch Wasserabzug für landwirtschaftliche Bewässerungsprogramme und für Stromgewinnung sank der Wasserspiegel seit 1936 um 22 m. Der rücksichtlosen Ausbeutung des Sees ist es aber auch zu verdanken, dass sein Ufer grösser und breiter und aus der ehemaligen Klosterinsel beim Ort Sevan eine Klosterhalbinsel geworden ist und dadurch archäologische Schätze aus längst vergessenen Zeiten zum Vorschein kamen.

Besuch dieser sehr schönen Klosteranlage aus dem 9. Jhd. Diese Klosterschule hat auch ein Seminar wo  junge Armenier zu Priestern ausgebildet werden. Dieses Seminar hat auch die Betreuung des alten Klosters übernommen. Diran sang uns zum Abschied ein Ave-Maria auf Armenisch.

 

Hier standen wir nun direkt am See. Die wunderschöne Lage, das tolle aussergewöhnliche sonnige Wetter bewog uns hier etwas länger zu bleiben. So gab es wieder einmal richtig Zeit zum Schreiben und Fotos hoch zu laden, denn die Internetverbindung war ausgezeichnet.

 

Das Wetter verschlechterte sich und wir zogen weiter. Ueber die gelbe Flickenstrasse, durch eine grandiose Landschaft, jetzt kamen wir  ins Kabis-Anbaugebiet, mit serpentinenreichen Strassen über Anhöhen und Täler, erreichten wir die Klosteranlage von Haghbat.

 

Beinahe am Ende der Welt gelegen, auf einem Hochplateau mit Aussicht auf die Debedschlucht und die wilde Natur ringsum, hat die Familie der Kjurikjans ein weiteres Kloster gegründet. Die Königin Chosrovanusch liess gegen Mitte des 10. Jhd. ihren Söhnen Smbat und Gurgen die erste Kirche, die Surb Nschan oder Kreuzkirche erbauen, die noch heute das Zentrum des weit verzweigten Komplexes bildet. Als ob sich das Kloster vor den Blicken ungebetener Gäste verbergen wollte, drückt es sich mit seinen braun-grauen Steinblöcken und den verblassten, rötlichen Dächern, über die sich eine dünne Schicht Gras wie zum Schutz gelegt hat, eng an den Hang. Das ist eine sehr schöne und beeindruckende  Klosteranlage.

 

Wir nächtigen alleine unterhalb der Klosteranlage und überqueren morgen die Grenze Armenien – Georgien.

 

Welch weiter Blick!  Welch süsser Traum!  Welch frischer Hauch!

Von glitzernden schneeleuchtenden Bergen sich ein Strahlen ergiesst,

von Verfall nicht ahnenden dichten Wäldern auch,

bis zu sanften Weiden und Wiesen, wo ein Bächlein fliesst,

welch weiter Blick!  Welch süsser Traum!  Welch frischer Hauch!

 

Ruben Sevak, Genozidopfer 1915